Gedanken über die Zukunft der Freimaurerei

Gedanken über die Zukunft der Freimaurerei

1. Was bleibt nach den Feiern zum 300 jährigem Bestehen der modernen Freimaurerei?

Im vergangenen Jahr durften wir das 300 jährige Gründungsjubiläum der Vereinigten Großloge von London und somit die Geburtsstunde der modernen Freimaurerei feiern. Feste müssen gefeiert werden – aber bei aller Tradition treibt mich die Frage nach der Zukunft mehr um als die nach der Vergangenheit. Nach dem Erlebten in Dresden frage ich mich, welche Spuren haben wir nach den Feierlichkeiten in unserer Stadt hinterlassen? Was ist unser heutiger Beitrag für die Gesellschaft?

Die Vorstellung, dass mir einestags mein Sohn oder mein Enkel in die Loge folgen wird, erfüllt mich mit Freude. Aber wird es dann die Königliche Kunst dann noch geben?

(c) Juliane Herrmann, http://www.julianeherrmann.com/

Die Freimaurerei spielt heute in der gesellschaftlichen Wahrnehmung keine Rolle mehr. Überwiegend werden wir wohl eher als esoterische Sekte eingestuft. Nicht mal eine Weltverschwörung – mit der die Gegner der Freimaurerei in der Vergangenheit Ängste schürten – traut man uns heute zu. Wir sind in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.

Wie ist es dazu gekommen? Sicher sind die ursprünglichen Ziele der Aufklärung (Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit) – zu mindestens in den meisten entwickelten Ländern der Welt erreicht worden. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass traditionelle bürgerliche Werte immer mehr an Bedeutung verlieren. Aber reicht das als Erklärung? Oder ist das auch eine bequeme Erkenntnis hinter der wir uns schulter-zuckend verstecken. Aber die Welt hat sich immer verändert.

Je mehr ich darüber nachdenke, komme ich zu der Erkenntnis, dass sich die Freimaurerbrüder oft, durch nicht maurerisches Verhalten, selber im Weg standen und stehen und somit selber zum Niedergang der Freimaurerei beitragen. Zwischen Anspruch und Realität besteht doch oft eine große Lücke.

Wie immer ist ein Blick in die Zukunft nicht ohne einen kurzen Blick in die Vergangenheit möglich. Aus meiner Sicht liegen die Wurzeln für den heutigen Zustand schon weit in der Vergangenheit.

2. War in der Vergangenheit tatsächlich alles besser?

Waren es in den Anfängen – je nach Lesart Baumeister und Intellektuelle, die in geschützten Räumen, frei Gedanken und Wissen austauschen konnten, änderte sich die Zusammensetzung der Logen parallel zu den sich veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen.

Natürlich waren Freimaurerbrüder auch immer von den politischen und sozialen Gedanken der jeweiligen Zeit beeinflusst. Die Aufforderung „schau in dich“, „schau um dich“ und „schau über dich“ fand wohl eher nur in der Loge statt.

Schon im ersten Weltkrieg kämpften englische, französische, russische, belgische und deutsche Freimaurer gegeneinander. Mit Beginn der 30er Jahre des letzten Jahrhunderts wurden jüdische Brüder aus den Logen ausgeschlossen.

Auch wenn wir uns heute oft stolz auf Brüder wie Carl von Osjewski und Leo Müffelmann berufen, waren diese Brüder die Ausnahme in unseren Reihen.

Aus meiner Sicht war das zeitlich folgende Verbot durch die Nationalsozialisten für die Freimaurerei in Deutschland ein Segen. Das Anbiedern vieler Logenbrüder an den neuen Zeitgeist hätte vielleicht unter anderen Umständen zum kompletten Erliegen der Freimaurerei in Deutschland, nach Beendigung des zweiten Weltkrieges, geführt.

Wie haben die Brüder der Logen die dunkle Zeit des Nationalsozialismus nach 1945 untereinander verarbeitet? Wie sind NS Anhänger und Gegner, Kriegsbefürworter und Pazifisten mit einander umgegangen. Kam es zu Aussprachen und Versöhnungen oder eher zu einem stillschweigenden Nebeneinander? Neben den alltäglichen Problemen wie Broterwerb und Wiederaufbau hatten die Logen auch mit den kriegsbedingten Verlusten, vor allem an jungen Männern zu kämpfen. Hatten die Freimaurer damals Antworten auf die Fragen der Zeit?

Das Nichtverarbeiten der NS-Zeit in großen Teilen der Bevölkerung der Bundesrepublik führte zu den bekannten Gegenbewegungen der sogenannten 68. Traditionen und bürgerliche Werte waren auf einmal unter jungen Männern verpönt. Nun kann man sicherlich diese Zeit mit ihren großen Umbrüchen nicht mit der Zeit der Aufklärung vergleichen. Aber haben die damaligen Freimaurer den Zeitgeist begriffen und sich damit in den Logen auseinandergesetzt? Ich weiß es nicht.

In der DDR, kam es nicht zu bekannten Wiederaufnahme der Maurerei. Hier wollte man den neuen Menschen schaffen. Da war kein Platz für Freigeister und Traditionalisten. Gerade hier hätten wohl die Freimaurer mit ihren geschützten Räumen einen sehr großen Zuspruch gefunden, so wie es die Kirchen seinerzeit auch.

3. Status Quo

Wir leben heute in einem hochentwickelten Industrieland. Die Veränderung seit dem Fall des Eisernen Vorhangs ist enorm. Die zunehmende Globalisierung der Welt ist nicht aufzuhalten. Alte Ordnungssysteme verlieren an Bedeutung und werden durch zunehmenden Individualismus ersetzt.

Das Internet kennt keine Landesgrenzen, keine Regierungen oder Weltanschauungen. Noch nie standen uns so viele Möglichkeiten zur Wissenserweiterung zur Verfügung. Was in früheren Zeiten in streng gehüteten Klosterbibliotheken aufbewahrt wurde, ist heute für jedermann zugänglich. Soziale Medien, wie Facebook, wurden geschaffen um Menschen weltweit zu verbinden.

Aus den positiven Anfängen wurde aber auch schnell ein Missbrauch. Die so genannten sozialen Medien stehen zunehmend in der Kritik. Im Schutz der Anonymität werden über sie Falschnachrichten und Hass verbreitet. Sie polarisieren und trennen eher als sie verbinden. Es fehlt eine gesellschaftliche Wertediskussion zum Umgang mit den modernen Kommunikationsmitteln.

Der Individualismus und die Flut an Angeboten und Nachrichten überfordern aber zunehmend viele Menschen in unserer Gesellschaft.

Und die Freimaurerei? Der heutige Zustand kann aus meiner Sicht nur als besorgniserregend bezeichnet werden. Die Anzahl der Brüder stagniert. Damit sinkt folglich auch die Quantität und mit ihr die qualitative Vielseitigkeit der Freimaurerei. Wie wir an unserer eigen Loge sehen, verlieren und gewinnen wir Brüder durch Ortswechsel, können Brüder altersbedingt weniger teilnehmen oder Decken aus unterschiedlichen Gründen. Wir sind also auf Wachstum dringend angewiesen. Dies hat nebenher auch einen, nicht zu unterschätzenden, wirtschaftlichen Aspekt. Nur mit gesunden Finanzen können wir uns würdige Räumlichkeiten leisten.

Überwiegend geht es heute in den Logen um das Alltagsgeschäft. Auf der Strecke bleibt das Gespräch unter Brüdern zu gesellschaftlichen Themen, der Formulierung von Zielen für die eigene Loge und selbstkritische Betrachtung. Damit verkommen die Logen zu Stammtischen mit Ritual.

Aber es formieren sich zunehmend auch andere Stimmen. Neben den Beiträgen der Brüder Hans-Jürgen Grün und Hans-Hermann Höhmann lese ich immer öfter Artikel in der Humanität, die eine Reformation und damit Veränderungen fordern.

4. Was können wir tun?

Auf Hilfe von oben – durch die Großlogen – brachen wir nicht zu hoffen. Veränderung fand schon immer von unten her statt. Gewiss, die Großlogen können mehr für die Öffentlichkeitsarbeit tun. Sie können intern Anregungen aus den einzelnen Logen bündeln und kommunizieren. Sie können den – im Profanen würde man „Markenkern“ sagen – nach Innen und Außen klarer herausstellen. Vielleicht wäre es zum Beispiel auch ratsam, allen Logeninternetseiten ein gleiches Layout, was Farben und Schriftart betrifft, zu gestallten. So hätten sie besonders für Suchende einen höheren Wiedererkennungswert.

Das eigentliche Fundament für Veränderungen ist jedoch jeder einzelne Bruder in den Logen und der Bruderkette.

Die Aufklärung war seinerzeit von revolutionären Gedanken begleitet. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität sind heute zu Worthülsen verkommen. Aus meiner Sicht sind sie aktueller den je. Der Bau des Tempels der Humanität ist eine Dauerbaustelle und nie abgeschlossen.

Die Zukunft der Freimaurerei ist nur dann gesichert, wenn wir in der Lage sind, aus unserem freimaurerischen Wirken heraus im brüderlichen Miteinander und nicht in einem parallel geführten Privatleben heraus, Antworten auf die Fragen des 21. Jahrhunderts zu geben.

Aber was sind die Fragen des 21. Jahrhunderts? Wo sehen wir die Zukunft der Freimaurerei? Welche Ziele verfolgen wir und wie wollen wir sie erreichen? Sind wir selber offen für Veränderungen? Die Gespräche darüber vermisse ich in unserem Bund.

Wir werden die Fragen aber nur beantworten können und überzeugend auf Suchende wirken wenn wir an folgenden Punkten hart arbeiten:

  • Weiterbildung durch Lesen einschlägiger Literatur
  • Intellektuelle Auseinandersetzung
  • Vorbehaltlose Diskussion
  • Wenn wir es schaffen, uns immer wieder aus den eigen Vorurteilen heraus denken
  • Aktuelle gesellschaftliche Themen aufgreifen
  • Sicherheit und Emotionalität im Ritual stetig verbessern
  • Freimaurerei global – also auch im Zusammenhang mit anderen Logen sehen
  • Geselligkeit innerhalb UND außerhalb der Loge pflegen
  • Den Brüdern und dem besonderen Ort der Loge mit Stil und Etikette begegnen

Die Ansprache von Suchenden, das Gewinnen neuer Brüder, sollten wir nicht dem Selbstlauf überlassen und darauf hoffen, das sich schon jemand über das Internet oder nach einem Vortragsabend in der Volkshochschule bei uns meldet.

Jeder einzelne von uns vertritt unseren Bund in der profanen Welt. Um wieder stärker zu wachsen und aktive Brüder in unserem Bund aufnehmen zu können, ist es aus meiner Sicht auch notwendig, geeignete Männer gezielt anzusprechen.

5. Fazit

Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und medialen Veränderungen unserer Zeit bringen Polarisierung, Populismus, Unsicherheit und Anonymisierung hervor. Viele Menschen werden zunehmend auf der Suche nach „wahren Werten“, persönlichen Gesprächen und dem Sinn für ihr Leben sein.

Nach dem ersten Weltkrieg erlebten die Logen ihre größten Zuwächse. Die neuen Brüder waren auf der Suche nach Frieden und Humanität. In der DDR erlebten die Kirchen einen sehr großen Zuspruch, da man sich in ihren Räumen frei austauschen konnte. Die Freimaurerei kann mit ihren Werten den heutigen Menschen Orientierung und Halt geben.

Das Attraktive an der Freimaurerei ist, dass ihre Mitglieder alle Hautfarben haben, von allen Religionen und aus allen sozialen und wirtschaftlichen Sichten kommen. Wir verfügen über ein Jahrhunderte altes Wertesystem. Welche andere Organisation kann so etwas vorweisen? Und – wo sonst kann man besser mit einem Freund laut denken als in einer Freimaurerloge?

So gesehen haben wir als Freimaurerbund viel Potenzial! Lasst es uns nutzen!

 

von A. W.