„Diese Zitrone hat noch viel Saft“
„Diese Zitrone hat noch viel Saft“
Diesen Ausspruch, unverwechselbar wie das Leben der Lotti Huber, möchte ich bewusst für die Zukunftsaussichten der Freimaurerei wählen.

Lotti Huber erlebte und erlitt als 1912 Geborene sehr bewusst die „Endzwanziger Jahre“ und den Übergang in die Zeit der „Machtergreifung“, die sich beim genauerem Hinsehen als eine reine Macht-Andienung durch den deutschen Wähler outet. Der gleiche Wähler, der übrigens nach kollektiver Ernüchterung aus dem Vollrausch der Weltherrschaft nach Kriegsende „schon immer dagegen“ gewesen war. Und damit der Aufbau des neuen Staatswesens auch zügig voran geht, wurde er, von wenigen Ausnahmen wie Fritz Bauer abgesehen, ohne Zeitverzug gleich in die Hände der Vertreter des untergegangenen Regimes gelegt. Eine doch recht bemerkenswerte Zurückhaltung in Sachen Aufarbeitung in Anbetracht des unversöhnlichen Austauschs der DDR-Nomenklatura nach dem Beitritt (Wiedervereinigung), dem kein Völkermord vorausging. Zugegebenerweise gab es nach 1945 mord-, kriegs- und verfolgungsbedingt einen heftigen männlichen Personalmangel, nach dem Beitritt eher einen Beförderungsstau, der sich aber schnell auflöste und bis heute nachwirkt.
Der deutschen Freimaurerei in ihrer Wiederauferstehung nach 1945 verhinderte paradoxerweise vor allem ihr Verbot zuvor allein ein weiteres Andocken in Richtung Gleichschaltung. Jüdische Brüder wurden aus den Logen ausgeschlossen. Humanistische Werte vertretende Brüder gingen von selbst, spätestens als die Satzungen Regime-freundlich umgeschrieben wurden. Widerstand im Flüsterton, aufrechte Freimaurer wie Müffelmann bildeten die Ausnahme.
Wie können wir heute das Potential der Freimaurerei in einer Zeit heben, in der Ton und Sprache in der Gesellschaft verrohen und zu oft an die Endzwanziger Jahre erinnern, mitunter auch an Stellen des Buches von Viktor Klemperer „L.T.I. Sprache des Dritten Reiches“?
Was sind die heute dringenden Themen in Zeiten, in denen die Gesellschaft „Auseinanderzubrechen“ droht?
Sind es z.B. Diskussionen, ob in einer Johannisloge ein Bild von Johannes der Täufer hängen darf? Sind es Diskussionen, ob nur ein repräsentatives Logenhaus der richtige Platz für eine Bruderschaft sein kann, eine leere Hülle als guter Ersatz für fehlende Inhalte? Sind es vielleicht Tischmanieren wie das „Glas zur Flasche“?
Ich denke nicht. Wenn wir dringende Themen suchen, brauchen wir nicht weit zu gehen, wir erleben sie täglich und hören spätestens im Ritual: „Wehret dem Unrecht, wo es sich zeigt, kehrt niemals der Not und dem Elend den Rücken …“
Ich möchte explizit darauf verweisen, dass in dem aus dem Internet bekannten Zitat nicht „Wehret dem Unrecht, wo es sich zeigt, kehrt niemals der deutschen Not und dem deutschen Elend den Rücken“ steht.
Der „Ablasshandel“ einer Gabensammlung ist ein guter Beginn und sichert vorübergehend auch ein gutes Gewissen, entledigt uns aber nicht an unserer notwendigen Teilhabe am Geschehen in der Gesellschaft und das jetzt noch viel stärker.
Brecht sagte treffend „der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch …“; und da kriecht aktuell einiges herum …
Freimaurerei ist wie Autofahren: Je schneller wir fahren, desto weniger nehmen wir aus unserer Umgebung wahr. Den Blick dafür sollten wir uns nicht verstellen. Freimaurerei hat wie im Titel genannte Zitrone noch viel Saft. Lasst ihn uns nicht vergeuden und allen Anfängen wehren.
von C. H.