„Gedanken eines Suchenden VIII“
Von der Humanität
Es wird viel über Humanität geredet in diesen Tagen. Die Sichtweisen dazu sind sehr vielfältig doch an der Umsetzung muss noch viel geübt werden. Es stellt sich auch die Frage, was Humanität heute ist. Dazu müssen wir erst einen Blick darauf werfen, was denn Humanität überhaupt ist. Humanität oder übersetzt Menschlichkeit ist die, grob gesagt, Lehre vom Menschen. Von dem was der Mensch ist und wie sein Verhalten sein kann, beobachtbar aber auch spekulativ. Es ist aber auch die Vorstellung darüber, wie der Mensch sein soll, was als menschlich gilt nach der Wertung von richtig und falsch sowie schließlich, was denn das ideale Bild des Menschen ist.
Hier ist es nun die Frage, was denn richtig und falsch ist und was das „Ideale Menschsein“ sein soll. Nach welchen Maßstäben soll es festgelegt werden? In unseren Breitengraden bildete sich das Richtig und Falsch aus den Werten im Christentum und aus den Bedürfnissen der Menschen in den jeweiligen Epochen. Auch das Ideal des Menschen unterliegt demnach dem ständigen Wandel im Zeitenfluss. Und nicht nur in unseren Breitengraden sondern auf der ganzen Welt gab und gibt es immer wieder Gelehrte und weise Menschen, die sich Gedanken über den Humanismus machen und machten. Der Humanismus formte sich dabei aus der jeweiligen Kultur, dem Glauben, den Umständen, den Bedürfnissen und der
geographischen Lage. Daraus fanden die Menschen ihre Antworten von richtig und falsch. Es gilt herauszufinden, wo die allumfassenden Gemeinsamkeiten im Denken von richtig und falsch sind.
Ein wichtiger Grundsatz des Humanismus ist die Erkenntnis, dass alle Menschen gleich sind mit den gleichen grundlegenden Rechten. Dazu wurden sehr wichtige und notwendige Gesetze formuliert, die für alle Menschen auf der Welt gelten sollen und müssen. Allem voran die Menschenrechte und die darauf folgenden Verfassungen und Grundgesetze der Länder, in welchen die Menschenrechte fest verankert sind. Für mich selbst erweitere ich die Aussage „alle Menschen sind gleich“ zu „Alle Menschen sind gleich viel wert!“. Wenn nur gesagt wird, dass alle Menschen gleich sind, dann bedeutet dies, dass die Individualität wenig Beachtung findet. Das damit die Kultur, die Religion usw. gleichgesetzt werden, was für mich ein Egoismus wäre, denn damit würde ich unterstellen, dass alle so sind wie ich.
Es gibt aber Unterschiede unter den Menschen. Diese Unterschiede können unseren Horizont erweitern und uns voranbringen. Unterschiede zu kennen bedeutet auch, die Wesenheiten anderer Menschen zu akzeptieren und ihre Kultur zu achten. Dies zu erkennen ist auch ein wesentlicher Schritt für die Formung der Toleranz. Dafür sind aber gewisse Voraussetzungen notwendig, nämlich solche, die eine Auseinandersetzung und ein Interesse an anderen Kulturen und Menschen bedingen. Es reicht eben nicht zu sagen, dass man tolerant ist. Die Toleranz wächst aus dem Wissen über die Verschiedenheiten und Gemeinsamkeiten der Kulturen. Aber auch die zwischenmenschliche Toleranz unter Familienangehörigen, Freunden, Nachbarn, Kollegen usw. formt sich aus dem Wissen über den Anderen. Wenn ich die Ursache des Verhaltens kenne, dann fällt es leichter zu bewerten ob etwas richtig oder falsch ist.
In der Frage um richtig und falsch, darf aber keine rein subjektive Schablone aufgelegt werden. Vielmehr sind verschiedene Blickwinkel zu wählen um ein umfassendes Bild zu gewinnen und weise urteilen zu können. Im weiteren Sinne bedeutet dies, dass sich der Mensch dabei auch selbst hinterfragen und auch in der Lage sein muss, auch das „Unangenehme“ zu erkennen und damit wahrhaben zu wollen. Zum einen die eigenen Kanten im rauhen Stein als auch die Kanten der Gesellschaft. Das bedeutet mit beiden Augen zu schauen und nicht auf dem einen oder dem anderen Auge blind zu sein oder die Welt mit dem Horizont von Scheuklappen zu betrachten.
In dieser Zeit eröffnen sich viele neue Fragen und Erkenntnisse; durch die Vielzahl an Medien, durch die Wissenschaften und die Möglichkeit viel mehr über die Welt zu erfahren; mit denen es sich auseinanderzusetzen gilt. Dies sind aber auch Fragen, wo noch nicht Viele bereit sind sich diesen zu stellen. Da damit das eigene Weltbild in Frage gestellt wird und auch ein hohes Maß an einem kritischen Umgang gefordert ist. Vergangene „Wahrheiten“ werden geprüft und teilweise um „neue Wahrheiten“ erweitert. Da ist zum einen die Forschung der Kriminologie, die jetzt erst die Unterschiede und Gemeinsamkeiten im kriminellen Verhalten von den Geschlechtern untersucht und zu einem Punkt gelangt, der vielen Menschen unangenehm sein kann. Nämlich das im Bereich von speziellen Verbrechen die Unterschiede zwischen Männern und Frauen gar nicht so groß sind und dass auch Frauen zu Handlungen fähig sind, die bis dato nicht untersucht wurden, weil „es nicht wahr sein darf“ und dieses auch nicht in Frage gestellt wurde.
Auch die Frage von den Geschlechtern an sich, nämlich wie viele es denn gibt, zwingt zu einem Umdenken oder zumindest zu einem Nachdenken. Sind es nur die zwei „herkömmlichen“ Geschlechter, Mann und Frau; die drei biologischen Geschlechter, Mann, Frau, Hermaphrodit; oder die Vielzahl an den psychologischen Geschlechtern? Als Weiteres sind da noch die Religionen. Wir haben jetzt viel mehr die Möglichkeit an direktem Kontakt zu anderen Religionen als noch vor vielen Jahren. Nicht nur weil der „Reiseluxus“ gewachsen ist, sondern auch, weil auch im direktem Umfeld die Vielfalt größer geworden ist. Das bedeutet, dass wir gezwungen sind uns auch mit diesen Religionen direkt oder indirekt auseinanderzusetzen. Besonders hier erwachsen Herausforderungen, da wir an den eigenen Tellerrand geschoben werden um zu sehen. Und viele weitere Themen konfrontieren uns, mit denen wir uns beschäftigen können und die ins Bewusstsein gerückt werden.
Diese Vielfalt an neuen Erkenntnissen sind auch die Grundlagen nach der Frage, was Humanität heute ist und wie der heutige Mensch sein sollte. Alle Grundsätze werden in die Waagschale gelegt und fordern uns heraus, die uns selbst gegebenen humanitären Ziele auch zu leben. Umzusetzen, was wir von uns selbst fordern.Nämlich das alle Menschen gleich viel wert sind und jedem Menschen geholfen werden muss. Das jedem Menschen! Würde und Rechte zustehen, auch wenn die eigene Toleranz dabei an Grenzen stößt.
Ich glaube, dass wir jetzt erst an einem Punkt gelangt sind, wirklich zu wissen was Humanität in der Praxis bedeutet, wo es umso wichtiger ist, zu erkennen welche Herausforderungen die Umsetzung der Ziele mit sich bringen und das es noch viel wichtiger ist, die Ziele auch wirklich umzusetzen. Es wäre nicht richtig und mit gespaltener Zunge gesprochen, auf der einen Seite von Humanität zu reden aber auf der anderen Seite wenig dafür zu tun, dass verhindert wird, dass jeden Tag unzählige Menschen aufgrund von Kriegen, Flucht und Hunger ihr Leben lassen. Es genügt nicht, wenn Einzelne davon reden und sich bemühen Menschlichkeit zu zeigen und aktiv tätig sind. Jeder muss sich mit dieser Thematik beschäftigen und sich selbst die Frage stellen „Was kann ich dafür tun das Humanität gelebt wird?“. Wir dürfen nicht die Augen schließen vor dem Leid auf der Erde, sondern müssen erkennen, dass alles was passiert auch an anderer Stelle Wirkung zeigt.
Die universellen Gesetzmäßigkeiten der Humanität fordern uns heraus, noch mehr für die eigene Veredelung zu tun und andere Menschen durch Vorbild aufzufordern es gleich zu tun. Der Luxus in unserem Land bringt auch Verantwortung und Verpflichtungen mit sich, damit die Gleichheit an Rechten auch gewahrt bleibt.
Nach der Frage, was Humanität heute ist, komme ich zu der eigenen Erkenntnis, dass die Ziele der Humanität die Selben sind, wie sie schon von vielen Philosophen, Geistlichen und anderen Weisen gelehrt wurden. Nur mit dem Unterschied, dass die Erreichung dieser Ziele aufgrund von Wissenschaft, demographischen Veränderungen und von Erkenntnissen und Berührungspunkten ein noch höheres Maß an Disziplin und Willen erfordern.
Johann Gottfried Herder hat treffend geschrieben, dass die Bildung zur Humanität ein Werk ist, dass ständig fortgesetzt werden muss, damit wir nicht in der Entwicklung zurückgehen und auf dem Stadium landen wo unsere Vorfahren noch allein von Trieben gesteuert waren. Humanität leben, heißt lebenslanges Lernen und dabei die Entwicklung der Menschheit zu beachten. Geist und Verstand zu besitzen bringt die Pflicht mit sich, dem auch gerecht zu werden und sich selbst zu formen, zu prüfen, zu hinterfragen und zu reflektieren. Und vor allem diesen Besitz auch zu gebrauchen.
Humanität gilt für alle Menschen auf der Welt! Sei es das Recht darauf oder diese zu leben. Humanität bedeutet Liebe für den Menschen, Güte, Empathie, Barmherzigkeit gelebt durch Taten!
Der einzelne Mensch ist nicht in der Lage die ganze Welt zu retten, jedoch kann er in seinem Umfeld versuchen alles dafür zu tun, die gesamte Menschheit aber ist in der Lage, sich selbst eine Zukunft zu geben. Das Erkennen der Notwendigkeit von Humanität ist dabei schon ein wesentlicher Schritt. Und auch ein Schritt zum „Idealen Menschen“, der nicht wegschaut, Leid erkennt und diesem nicht den Rücken zu dreht, der bereit ist zu helfen und wenn es „nur“ im Kleinen ist. Der „Ideale Mensch“ bildet sich selbst, ist gewillt seinen eigenen Verstand zu gebrauchen und auch gewillt zu handeln. In seinem Denken und Handeln sind Liebe, Güte, Empathie und Barmherzigkeit die Wurzeln in seinem Wachstum zum idealen humanen Menschen.
Von A.S.