Freimaurerei und Homosexualität
Wie steht die Freimaurerei zur Homosexualität?
Die humanitäre Freimauerei sieht sich in der Traditionslinie der Aufklärung und des Kampfs um Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Sie sagt, sie kenne keine Dogmen. Sie hat sich selbst modernen Werten, insbesondere der Toleranz verpflichtet.
Wie aber steht sie nun tatsächlich zur Homosexualität? Ist sie auch hier ohne Dogmen und tolerant?
In der Entstehungszeit der modernen Maurerei im 18. Jahrhundert ebenso wie noch zur Zeit der Wiedergründung der deutschen Maurerei nach dem 2. Weltkrieg war Homosexualität noch strafbar. Entsprechend wurde sie – jedenfalls nicht offen – in der Maurerei nicht problematisiert oder diskutiert, sondern wie in der Gesellschaft weitestgehend totgeschwiegen und ignoriert, was nicht ausschließen muss, dass es auch damals schon, vielleicht sogar allseits als solche bekannte, homosexuelle Brüder gegeben haben mag. In offiziellen Texten kommt eine positive Einstellung aber nicht vor. Dass es Homosexualität überhaupt geben könnte, lässt sich aus den Maurer-Texten nicht feststellen.
Die sexuelle Revolution und die Öffnung des gesellschaftlichen Lebens für weitaus mehr Lebensentwürfe als je zuvor, das Auflösen bis dahin als unauflöslich geglaubter Normen sind mittlerweile weit voran geschritten. Die homosexuelle Ehe gibt es inzwischen ebenso wie mehr als zwei offizielle Geschlechter. Spiegelt sich diese Entwicklung auch bei den Maurern und deren Texten wieder oder sind sie im 19. Jahrhundert stehen geblieben?
Die sexuelle Orientierung eines Maurers wird an zwei Punkten in den so genannten Ritualen der Freimaurer jedenfalls mittelbar relevant:
Zum einen bei der Aufnahme eines neuen Mitgliedes in den Bund der Maurer. Als Symbol der Reinheit von Taten und Gedanken streifen sich die Maurer weiße Handschuhe bei ihren Eitüllen Arbeiten über. Dem neu aufgenommenen Mitglied wird bei der Aufnahme das für ihn bestimmte Paar Handschuhe übergeben und zusätzlich ein weiteres Paar Handschuhe „für die Frau, die seinem Herzen am nächsten steht“. Maurer sind in diesem Zusammenhang stolz, dass es dabei nicht um die „offizielle“ Frau gehen muss, sondern auch eine andere Frau diese Frau des Herzens sein könnte. Sie sehen das als Zeichen ihrer Einsicht in das Leben und ihrer Toleranz. So hat Goethe z.B. nicht seine Vulpius entsprechend beschenkt, sondern die anscheinend seinem Herzen nähere Freifrau von Stein.
Zum anderen gibt es bei der Tafelloge, also dem in einem festgelegten Ablauf erfolgenden gemeinsamen Essen, dessen Strukturierung durch Trinksprüche schon Gegenstand meines vorangegangenen Beitrags zum „Trinkspruch auf das Vaterland“ war, auch einen Trinkspruch „auf die Schwestern“. Mit dem Begriff Schwestern werden hierbei die Partnerinnen der Freimaurer bezeichnet, die sich untereinander ja Brüder nennen.
Es wird also unterstellt, dass ein Freimaurer eine Gefährtin, nicht aber einen Gefährten haben könnte. Dass es Männer geben könnte, die mit einem anderen Mann als Lebenspartner verbunden sind, ist im Ritualtext also nicht vorgesehen. Es gibt hier also durchaus eine dogmatische Festlegung. Dies wäre nur dann anders wenn die Rituale der Maurer zum Lebenspartner gar nichts sagen würden.
Außer der Fortsetzung der sozusagen aus unvordenklichen Zeiten stammenden und scheinbar deshalb nicht zu hinterfragenden Gewohnheit, die allenfalls dadurch verständlich wird, dass eine andere Handlungsweise damals womöglich strafrechtlich relevant gewesen wäre, indem sie als „Auforderung der Sodomie“ ausgelegt worden wäre?
Meines Erachtens gibt es keinen Grund außer Gedankenlosigkeit, die Begrenzung auf „Schwestern“ als Lebensgefährtinnen beizubehalten. Denn in welcher Art und Weise ein Mann seine Sexualität auslebt und mit wem er die Begleitung und Unterstützung für sein Leben, eben sein Alter Ego findet, sollte ihm überlassen sein. Jedenfalls schließen sich freimaurerische Überzeugungen, freimaurisches Handeln und homosexuelle Vorlieben in meiner Sicht nicht aus. Sie betreffen je ganz unterschiedliche Bereiche des Lebens. Freie Männer guten Rufs können ihre sexuellen Begierden auch kontrollieren und würden auch Logen nicht in Sex-Kontaktbörsen verwandeln. Da je nach Schätzung 5-15% der Population gleichgeschlechtliche Präferenzen haben sollen, dürfte es in den Logen auch schon immer ( uneingestandene) Schwule gegeben haben, ohne dass dies zu nachhaltigen Problemen geführt hätte. Eher geht es darum, dass in den Logen das Sex-Leben keine Rolle spielt, sei es hetero-, bi- oder homosexuell gestaltet. Die Arbeit der Maurer betrifft andere Lebensbereiche.
Homosexuelle werden in der Selbstdarstellung der Freimaurer durch die überholte Begrenzung auf die „Schwestern“ als Lebenspartner ausgegrenzt. Schon Interessenten an der Freimaurerei werden damit womöglich abgeschreckt. Sie nehmen die Maurer als ewig -gestrig wahr.
Jedenfalls werden homosexuell Empfindende nicht ermuntert, dies auch offen zu bekennen, wenn sie in den Abläufen der Veranstaltungen über einen bloßen Rekurs auf Schwestern offen diskriminiert werden. Heterosexuelle können hingegen zu dieser ihrer „Leidenschaft“ offen stehen.
Eine offene Diskussion darüber, ob dies nicht geändert werden müsste, würde eine Selbstklärung der Freimaurer zu diesem Themenkreis erzwingen. Wo stehen wir Maurer eigentlich im Umgang mit Homosexualität bei Brüdern und/oder Suchenden?
Eine der Begründungen für die Begrenzung der Freimaurer auf Männer unter Ausschluss von Frauen ist, dass dann das Sexuelle außen vor bliebe und damit ein anderes Klima im Umgang entstünde. Änderte sich dies wirklich, wenn es Homosexuelle (auch offen, nicht nur undercover) in den Logen gibt? Oder müsste man dann konsequenterweise den Ausschluss von Frauen auch aufgeben? Oder sind Männer jeder Orientierung eben anders als Frauen, was weiterhin für einen Männerbund spräche?
Ein weites Feld, zu dem sicher noch viel mehr zu sagen wäre. Ich will es für heute hiermit bewenden lassen und hoffe, zu eigenen Überlegungen angeregt zu haben auf der Suche nach mehr Licht.
von M. D.
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