Wissen und Können
Der Drang, der dazu gehört, in das Wesen des Bewusstseins des Menschen eindringen zu wollen, ist ein im Kern pädagogischer.
Für „Geistesarbeiter“ gilt, nicht nur den Verstand auszubilden. Es gilt nicht nur, Wissen aufnehmen zu sollen und den Intellekt zu schulen. Es gilt, durch das Ergebnis einer Arbeit einen sinnvollen Beitrag zur Entwicklung der Seele und der Entwicklung des Bewusstseins zu leisten.
Was dient also dazu, einen Menschen zu einem wertvollen „Baustein“ zu machen?
Worauf man sich in unserer Gesellschaft recht wenig konzentriert, das ist die Ausbildung des Künstlerischen. Hierzu hat Friedrich Schiller in seinen Briefen „Zur Förderung der ethischen Erziehung“ eine herausragende Anregung für unsere deutsche Kultur hinterlassen. Leider wird der wertvolle Beitrag eines großen Deutschen viel zu wenig gewürdigt, obwohl wir hier den Kern des Deutschtums finden. Woran liegt dieses? Es liegt an unserer geistigen Haltung. Es liegt daran, dass wir in unserem Volk noch nicht wieder eine gesunde kulturelle Einstellung und unseren Auftrag für die Völkergemeinschaft wiedererkannt haben.
Betrachten wir unsere Gesellschaft und unser Schul- und Bildungssystem. Sie sind sehr wesentlich von Haltungen materialistisch eingestellter Eliten geprägt. Gewissermaßen wird erwartet, dass jeder Mensch gleich ist. Hieraus resultiert auch ein Anspruch, aus der „Wohlfühltüte“ eines Sozialnetzes leben zu wollen.
Wir reden von Menschenrechten, wo wir eigentlich über Menschenwürde nachdenken sollten. Wo Rechte sind, da sind auch Pflichten, und wo Pflichten sind, da ist Arbeit, auch am Bewusstsein. Diese wiederum finden wir in der Erziehung.
Erziehung und Bildung beginnt beim Kind. Man sieht gewöhnlich als Erwachsener in dem, was ein Kind in seinem seelischen Drang leistet, ein Spiel. Das ist ein Fehler. Das Kind spielt nicht. Für das Kind handelt es sich nämlich nicht ums Spielen, sondern um seine Form der Arbeit, in der es die Welt entdeckt und erkundet. Das Kind lernt durch das, was wir als Spiel betrachten, Wissen zu er- und verarbeiten. Für den Erwachsenen dagegen ist das Spiel mit Spaß verbunden; nicht so für das Kind.
Keinen größeren Fehler können wir machen, als die Behauptung aufzustellen, man möge es in der Schule dahin bringen, dass der Mensch spielend lerne (so Rudolf Steiner). Ein Mensch, der so sein Leben organisiert und so lernt, will aus dem Leben nur Freude herausziehen. Ein solcher Mensch wird aus seinem Leben ein Spiel machen wollen und irgendwann unter der Last seiner Arbeit zusammenbrechen.
Das Kind dagegen wird in der Schule seinen Drang heraus bilden wollen, sich im Künstlerischen weiter zu entwickeln.
Kunst kommt von Können, wie wir wissen. Der Mensch lernt anhand von Analogien, von Einsichten, weshalb mittels Erziehung mit einem künstlerischen Anspruch die Möglichkeit auch zum Können gelegt werden wird.
Hier wird m. E. auch deutlich, wo der Hauptfehler heutiger schulischer und universitärer Ausbildung liegt: Wir haben uns der Zielsetzung verschrieben, aus dem Menschen einen Wissenden machen zu wollen – Stichwort: Wissensgesellschaft. Wir müssen den Menschen jedoch nicht nur zum Wissenden, sondern auch zum Könnenden machen.
Echte, mit Können verbundene Kunst lässt es zu, dass sich der Mensch entwickelt und sich geistig über seinen Ist-Zustand erhebt. Insoweit ist gleichzeitig klar, dass nicht jede Geistesarbeit diesem anspruchsvollen Ergebnis, einen Könnenden schaffen zu wollen, wirklich Rechnung tragen kann. Geistesarbeit muss „königlich“ sein.
Eine dritte Erkenntnis: Der reine Intellektualismus reicht nicht. Ergebnis wirklicher Geisteserziehung ist, einen Menschen nicht nur zum Wissenden zu machen, sondern auch zum Könnenden.
von K. Oe.
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